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1.1 Der Weg zum methodischen Zweifel
Von der rationalistischen Wissenschaftskonzeption ausgehend beginnt die Philosophie des Rene Descartes mit der Skepsis. Nichts durfte mehr als gesicherte Erkenntnis gelten, von dem auch nur der kleinste theoretische Zweifel ausgehen konnte. Auf der Suche nach dem perfekten Wissen wurde Descartes schnell Blasphemie vorgeworfen, weil sein Zweifel bis zur Hypothese eines Betrügergottes geht. Wenn dies der Fall sein sollte, so müßte uns Gott in eine Unwahrheit hineingeschaffen haben. Somit wäre es nicht mehr der Gott der Theologie, der als ein Quell der Wahrheit operiert, sondern Gott als listiger Betrüger und Täuscher, ein genius malignus.
Der Vorwurf der Blasphemie ist falsch, weil der methodische Zweifel vom Verstand ausgeht. Die Existenz Gottes kann also logisch bezweifelt werden, weil sie nicht nachweisbar ist. Den Glauben, der vom Willen ausgeht, beeinträchtigt dies keineswegs. Ich kann "mit dem natürlichen Verstand die Frage der Existenz Gottes prüfen und so an ihr zweifeln, ohne im Glauben zu zweifeln".[2] Blasphemischer Zweifel wäre gewollte und beständige Infragestellung der Existenz Gottes als eigenes Ziel. Als Mittel zur Erkenntnis der Wahrheit allerdings nennt Descartes den Zweifel etwas Frommes und Gehöriges. Dem Verstand sind Schranken gesetzt, dem Willen nicht. Der Wille ermöglicht es mir Vorstellungen zu bejahen und zu verneinen, der Irrtum kommt demnach aus dem falschen Gebrauch dieser Fähigkeit. Aber, wenn wir nur alles das als wahr annehmen, was wir aus der Methode als wahr erkennen können und alles andere skeptisch betrachten, so sind wir in der Lage denkend ein richtiges Bild der Welt zu gewinnen.[3]
Der methodische, von ihm auch hyperbolischer Zweifel genannt, wird also planmäßig vom Verstand vollzogen, das denkende Subjekt lenkt diesen intellektuellen Denkakt. Es ist keine irrationale Spinnerei, die den Denkenden beherrscht, was nach damaliger Aufassung Sünde wäre, sondern ein rationaler Prozeß dessen Ziel neue Erkenntnis ist. Dieses Ziel ist erreicht, wenn etwas klar und deutlich[4] Erfassbares erkannt wird. Nach Jaspers ist dieser Zweifel niemals mit der Verzeiflung gleichzusetzen und er ist nie alleiniger Antrieb. Auch hat "[d]er Zweifel des Descartes [...] noch als andere Voraussetzung die Annahme einer absoluten Wahrheit, die unserem menschlichen Erkennen im Urteil zugänglich ist. Ihre Absolutheit steht einen Augenblick noch über Gott; denn wenn Gott in dieser Wahrheit täuschen würde, würde er als böse beurteilt. Der zweifelnde denkende Mensch bewegt sich in seinem Denken auf der Ebene dieser Wahrheit, die dann allerdings gerade allein durch Gott gesichert wird."[5]
In der Philosophie kommt es hierbei nicht zu endgültigen Wahrheiten oder allgemeingültigen Aussagen. Zu jeder Position gibt es eine Gegenposition. Anders ist es in den Naturwissenschaften, in denen Descartes auch sehr aktiv war, wo es zu einzelnen bestimmten Wahrheiten kommt, die dann als allgemeingültig gelten dürfen, bis sie von neuen Wahrheiten überholt werden. Auch im Leben des Philosophen vollzieht sich dieser Schritt, als es zu einer Auseinandersetzung mit seiner intensiven scholastischer Ausbildung kommt.[6] Nach Karl Jaspers ist infolge der cartesianischen Radikalität auf der Suche nach Gewißheit die Unterscheidung zwischen wissenschaftlicher und philosophischer Gewissheit entstanden.[7] Der Zweifel dient Descartes, im Gegensatz zu den Skeptikern, nur als Ausgangspunkt seiner Philosophie, darum handelt es sich um einen methodischen Zweifel, der ihm dabei behilflich sein soll, den philosophisch - archimedischen Punkt zu finden, der nicht mehr bezweifelbar ist, also, um zur Sicherheit zu gelangen. Dem Zweifel fallen dabei korrektive, selektive und systematische Funktionen zu. Der Wahrheitsbegriff Descartes` ist deshalb oft kritisiert worden. Wahrheit als Natürlichkeit oder gar als Selbstverständlichkeit stellten sowohl Nietzsche als auch Kierkegaard in Frage.[8]
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[2] Jaspers, Karl: Descartes und die Philosophie. Berlin, Leipzig 1937. S. 16.
[3] Ebd.
[4] Diese Begriffe und ihre Def. nach Descartes spielen für den hier geschilderten
Erkenntnisprozess eine immens wichtige Rolle. Vgl. dazu Kap. 1.3.
[5] Jaspers: Descartes und die Philosophie. S. 16.
[6] Vgl. dazu auch die Kap. 2.2 bis 2.4.
[7] Jaspers, Karl: Philosophie. Berlin 1932. Bd. I. S. 89ff.
[8] Jaspers: Descartes und die Philosophie. S. 17.
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